Zwei Wörter sind zu wenig

oder „Der Tod einer Sprache“

Die deutsche Sprache hat im Allgemeinen den Ruf, eine komplizierte und schwierige (vor allem schwierig zu erlernende) Sprache zu sein. Dem Ektischen dagegen kann wohl nachgesagt werden, zu den einfachsten Sprachen gehört zu haben. „Gehört zu haben“ ist schon richtig, denn das Ektische gibt es seit dem von Franz Hohler beschriebenen tragischen Zwischenfall leider nicht mehr: 

Das Ektische gehört zu den toten Sprachen und scheint mir deshalb die interessanteste von allen zu sein, weil sie nur zwei Wörter hatte. Das erste hieß „M“ und das zweite „Saskrüptloxptqwrstfgaksolömpääghrcks“. „M“ ist weiblich und heißt „Was ist denn jetzt wieder los?“, und „Saskrüptloxptqwrstfgaksolömpääghrcks“ ist männlich und heißt „Nichts“.Das kam daher, dass die Ekter in einem erloschenen Vulkantrichter lebten, der tief im Innern immer noch rumorte. Jedesmal, wenn es rumpelte, schossen die Ekterinnen erschreckt auf und riefen: „M?“, worauf ihre Männer mit beruhigender Stimme sagten: „Saskrüptloxptqwrstfgaksolömpääghrcks“. Das war das einzige, worüber die Ekter sprachen, alles andere erledigten sie in so großer Eile, dass ihnen keine Zeit zum Sprechen blieb.Ein unruhiges Land muss das gewesen sein, dieses Ektien.

Einmal kam es infolge von ungewöhnlichen Häufungen des Vulkangrollens sogar zu politischen Demonstrationen, bei denen eine große Zahl von Ektern vor das Rathaus zog und in Sprechchören die Worte „M! M! M!“ ausrief, worauf der ektische Präsident in einer großen Rede versicherte: „Saskrüptloxptqwrstfgaksolömpääghrcks!“ Dies stimmte allerdings nicht ganz, und der Präsident selbst wusste das auch, aber unglücklicherweise hatte er keine weiteren Ausdrücke zur Verfügung, und so gehört das Ektische heute zu den ausgestorbenen Sprachen. 

(aus Franz Hohler „Der Granitblock im Kino und andere Geschichten“) 

Wenn sich also das nächste Mal jemand bei Ihnen über Orthographie- oder Grammatikprobleme beschwert, erzählen Sie getrost diese Begebenheit als „Warnung“ vor Übersimplifikation! 

Dank an Herrn Anton Reyntjes, der dem Wunderland diesen Text zugesandt hat.

 

Kommentare (5) -

  • wirklich eine tragische geschichte! dabei hätten die ekter nur ein wort mehr gebraucht: "feüdschäli", was so viel bedeutet wie "der vulkan bricht aus!" Smile
  • Ja, das gebe ich zu, ganz konform-ektisch.

    Denn: "Ah, Potz! Feuer! Blitz! - das ist wie beim Pomp von Peji"!“, hätte nichts gebracht.
    Keiner konnte es ins Ektische übersetzen. Keiner hätte es verstanden.
    So ging diese wundersame Sprache "verschütt", die keine Missverständnisse produzieren konnte!

    Auch am Klang (der fein-ektischen Alliterationsvariation), an der Metaphorik oder an der Ein-Wort-Morphologie konnte es niemand erraten:

    "Saskrüptloxptqwrstfgaksolömpääghrcks!"

    ... aber vielleicht an der fehlenden Syntax; hätte das nicht stutzig machen müssen? - Nun, wie sollte mann-oder-frau das im Hoch-Ektischen realisieren?
  • Die Ekter hätten sich beispielsweise auch mit unterschiedlichen Betonungen von „Saskrüptloxptqwrstfgaksolömpääghrcks“ behelfen können (bei „M“ sind wahrscheinlich nicht allzu viele Betonungsvarianten möglich): Betonung auf der ersten Silbe bedeutet das bekannte „Nichts“. Eine Betonung der letzten Silbe hätte „Achtung Gefahr!“, „Feuer!“ oder „Vulkanausbruch!“ bedeuten können. So hätten die Ekter ihren Wortschatz nicht erweitern müssen und trotzdem überlebt!

    Liebe Grüße,
    Barbara
  • Mhm - und wie hätte man da "ektisch" erklärt?  
    Damit man's hätte unterscheiden können:

    Sáskrüptloxptqwrstfgaksolömpääghrcks?
    Oder:
    Saskrüptloxptqwrstfgaksolömpáághrcks?

    Und wer hätte das verstanden - ohne Meta-Saskrüpt...?
    "M!" - oder: "M!!"?

    So viele Wörter, so viele "M!"..-issverständnisse! "M!M!"

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